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Als am 19. Juli 1996 die Olympischen Sommerspiele feierlich eröffnet wurden, stand die Großstadt Atlanta (USA) im Mittelpunkt des Weltinteresses. Über 10.000 Sportler aus 197 Nationen nahmen daran teil, was eine neue Rekordteilnehmerzahl bedeutete. Neben den Athleten pilgerten auch Millionen Zuschauer nach Atlanta, um die Spiele live vor Ort zu erleben. Dementsprechend groß waren auch die Sicherheitsvorkehrungen. Über 30.000 Polizeibeamte, der extra eingeschaltete Geheimdienst FBI, hunderte Überwachungskameras und zusätzliche elektronische Hilfsmittel sollten Atlanta zur sichersten Stadt der Welt machen. Auch Richard Jewell war an diesen Tagen für eine private Sicherheitsfirma unterwegs, um als Wachmann für Sicherheit zu sorgen.


Im Herzen von Atlanta wurde eigens für die Olympischen Spiele der Centennial Olympic Park angelegt, um den Menschen eine riesige Partymeile bieten zu können. Am 27. Juli 1996 versah auch Richard Jewell in diesem gut besuchten Park seinen Dienst und drehte seine Runden. Plötzlich entdeckte er unter einer Parkbank einen herrenlosen Rucksack, was ihm seltsam vorkam. Sein Gefühl sollte ihn nicht täuschen, denn die alarmierte Polizei entdeckte eine Rohrbombe darin. Sofort wurde die Evakuierung des Parks angeordnet, wo sich zu diesem Zeitpunkt tausende Menschen bei einem Konzert befanden. Richard Jewell riskierte sein Leben und half tatkräftig bei der gefährlichen Evakuierung mit, als das Unfassbare geschah und die Bombe detonierte. Die Explosion forderte zwei Todesopfer und hunderte Menschen wurden verletzt.

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Richard Jewell hatte durch sein mutiges Einschreiten ein schreckliches Blutbad verhindert und wurde als Held gefeiert. Es begann sofort eine hektische Tätersuche, aber mit mäßigem Erfolg. Verdächtige Personen wurden verhaftet und wieder freigelassen, es gab keine wirklichen Anhaltspunkte für die Polizei. Nach einigen Tagen geriet Richard Jewell plötzlich selbst in das Visier der möglichen Verdächtigen. Das psychologische Profil von Richard Jewell passte perfekt für die Polizeiexperten. Eine missglückte Karriere im Sicherheitsbereich, ein Schusswaffenbesitzer und ein Junggeselle, welcher noch bei seiner Mutter wohnte. Man vermutete, dass Richard Jewell die Bombe selbst gelegt hatte, um sich dann als Held profilieren zu können. Als die Wohnung von dem nun neuen Verdächtigen nach möglichen Hinweisen durchsucht wurde, lauerte auf der Straße bereits eine viel größere Gefahr für Richard Jewell.


Die Medien durchschauten die neuen Ermittlungen der Polizei und es folgten bald weltweite Berichte. Mit Schlagzeilen wie „Das Profil des einsamen Bombers passt auf Jewell“ und „FBI vermutet, Wachmann-Held könnte Bombe gelegt haben“ änderte sich das Leben von Richard Jewell schlagartig. Medien aus der ganzen Welt übernahmen diese Anschuldigungen und alle befragten Psychologen im Fernsehen waren sich einig, dass Richard Jewell perfekt ins Täterprofil passte. Es begann nun eine regelrechte Medienhetze und Richard Jewell wurde zum neuen Feindbild der Medien auserkoren. Die Öffentlichkeit schloss sich den übereinstimmenden Meinungen an und verurteilte Richard Jewell als den schuldigen Bombenleger.

Die Medien fingen an, seine Wohnung Tag und Nacht zu belagern. Während seinen Autofahrten verfolgten ihn immer mehrere zivile Streifen, unzählige Fernsehteams übertrugen diese Jagden im Fernsehen. Das Leben von Richard Jewell geriet völlig außer Kontrolle und auch gesundheitlich ging es ihm immer schlechter. Keiner wollte die Wahrheit hören und Tatsachen wie ein bestandener Lügendetektortest wurden einfach ignoriert. Stattdessen wurde das ganze Leben von Richard Jewell zerpflückt und nur die schlechten Dinge von ihm berichtet. Es dauerte knapp drei Monate, bis die Polizei eingestand, dass Richard Jewell unschuldig war und man eigentlich auch keine wirklichen Beweise gegen ihn hatte. Doch die rücksichtslose Medienhetze hatte das Leben von Richard Jewell nachhaltig zerstört.

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Richard Jewell führte nach dem Freispruch der Polizei mehrere Prozesse gegen die Medien, um seinen erlittenen Ärger zu sühnen. Obwohl er Entschädigungszahlungen wegen unberechtigter Verleumdungen erhielt, erholte er sich gesundheitlich nicht mehr. Zu seinem schlechten psychischen Zustand kamen noch eine chronische Fettsucht, Diabetes und Nierenversagen dazu. Richard Jewell starb am 29. August 2007 im Alter von nur 44 Jahren an den Folgen der Verachtung in der Gesellschaft, der Nachlässigkeiten der Behörden und der journalistischen Verantwortungslosigkeit als gebrochener und einsamer Mann.

Der wahre Attentäter dieses Bombenanschlags konnte später gefasst werden. Für Richard Jewell kam diese Tat zu spät, er starb als tragischer Held, welcher der Macht der Medien schutzlos ausgeliefert war, obwohl er als beherzter Lebensretter eigentlich vielen Menschen das Leben rettete.

Richard Jewell: „Die Helden sind bald vergessen. Die Schurken halten ein Leben lang“

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