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Laufen ist für ihn keine Befreiung. Dion Leonard liebt den Wettbewerb, ist ehrgeizig und will gewinnen. Er ist ein Einzelgänger, tut alles, um den Sieg einzufahren. Um jeden Preis!

Der Ultra-Marathon führt 250 km durch die Wüste Gobi in China. Die Läufer müssen dort mit lebensfeindlichen Bedingungen fertig werden. Extreme Hitze, Sandstürme und karge Wüstenlandschaften bringen die Teilnehmer an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Dion Leonard ist bereit. Als der Startschuss fällt, hat er zur ein Ziel: Gewinnen! Doch plötzlich blickt er in zwei große braune Augen, ein streunender Hund hat sich in das Starterfeld geschlichen! Ein kleiner, brauner Mischling mit zotteligem Fell. Dion Leonard ignoriert ihn, zu wichtig ist das Rennen.


Foto von Dion Leonard

Während des Laufes überkommt Dion Leonard ein eigenartiges Gefühl. Als er zur Seite blickt, kann er es kaum fassen. Der Hund ist immer noch da und läuft ihm hinterher. Der tierische Gefährte mit seinen kurzen Beinen weicht nicht von seiner Seite. Trotz Hitze flitzt der kleine Hund durch die öde Landschaft und kommt am Ende des Tages gemeinsam mit seinem neu gewählten Herrchen am ersten Etappenziel an. Überraschenderweise jubeln die Leute Dion Leonard zu. Ein schönes Gefühl! Doch schnell merkt er, dass sie den Hund anfeuern, der direkt hinter ihm läuft.

Dion Leonard: „Zu diesem Zeitpunkt begann sich die Verbindung zu bilden. Sie kam mit mir ins Zelt und ich fing an, ihr Essen zu geben“


Foto von Dion Leonard

Dion Leonard teilt die knappen Vorräte an Nahrung und Wasser sowie sein Lager mit dem neuen Gefährten. Er nennt den Hund Gobi, da sich ihre Wege dort getroffen haben. Seite an Seite bestreiten sie die nächsten Etappen, die beiden werden ein unzertrennliches Paar. In bitteren Momenten richtet Gobi sein Herrchen wieder auf, gibt ihm Kraft und Mut mit seinen treuen Hundeblicken. Das zottelige Fell spendet Dion Leonard Wärme und Geborgenheit in den kalten Wüstennächten. Doch die wirkliche Prüfung sollte bald folgen.

Bei einer Flussüberquerung erkennt Dion Leonard, dass der Fluss zu tief für Gobi ist und der Hund es ohne seine Hilfe nicht schaffen wird. Für Dion Leonard stellt sich eine entscheidende Frage: Weiterlaufen, um das Rennen zu gewinnen, oder umdrehen, um seinem vierbeinigen Freund zu helfen?“

Dion Leonard: „Sie schreit und bellt und quietscht und kläfft und kläfft … Es war das schrecklichste Geräusch, das ich je gehört habe, und es ließ mich stehen bleiben“

Dion Leonard entscheidet sich für den Hund. Er verliert zwar Zeit, aber Gobi kann ihn weiter begleiten. Zum ersten Mal in seinem Leben lernt er Gemeinschaftsgefühl kennen, was ihn dazu bringt, auch einem anderen Läufer aus einer Notlage zu helfen. Es fühlt sich gut für ihn an. Dion Leonard spürt, dass es nicht darauf ankommt, ob man gewinnt, sondern auch wie. Als es bei einer Etappe besonders heiß ist, arrangiert er ein Auto für Gobi, das ihn zur nächsten Raststätte bringt. Gobi reagiert darauf, indem der Hund nicht mehr von der Ziellinie weicht.

Dion Leonard: „Sie sagten zu mir, dass sie den ganzen Tag in dieser Hitze gesessen hatte und auf den Horizont schaute und auf mich wartete“

Dion Leonard schafft es nicht, den Ultra-Marathon zu gewinnen. Dafür hat er das Gefühl, etwas viel Größeres gewonnen zu haben. Einen kleinen Hund mit großem Herzen, der mit seiner Entschlossenheit und bedingungsloser Liebe einen besseren Menschen aus ihm gemacht hat. Für Dion Leonard ist klar, dass Gobi bei ihm bleiben muss.


Foto von Dion Leonard

Aber die Geschichte nimmt eine tragische Wende. Gobi bleibt vorerst bei einem Freund von Dion Leonard in China. Gesundheitsunterlagen müssen beschafft werden, damit der Hund zu seinem Herrchen nach Schottland nachreisen kann. Dabei geschieht das Missgeschick, denn Gobi nimmt Reißaus. Niemand weiß, wo sich der Hund befindet.

Dion Leonard zerreißt es das Herz und setzt alles auf eine Karte. Er reist zurück nach China, um Gobi wiederzufinden. Eine Mission, die im Vorhinein zum Scheitern verurteilt ist. In den Straßen einer 3-Millionen-Stadt, wo kaum einer Englisch spricht, beginnt die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Er durchforstet jedes Tierheim, streift bis tief in die Nacht durch Straßen, klebt Vermisstenanzeigen an Wände und mobilisiert mit Fotos die sozialen Medien. Aber der Erfolg bleibt aus. Dion Leonard ist verzweifelt, wird er Gobi jemals wiedersehen?

Dann geschieht das Wunder. Ein Chinese hat einen streunenden Hund gesichtet und bei sich aufgenommen, auf den die Beschreibung passen könnte. Dion Leonard bleibt skeptisch, als er das Haus des Chinesen betritt. Plötzlich stürmt ein kleiner brauner Mischling auf ihn zu und wirft sich an seine Beine. Es ist tatsächlich Gobi, der sein Herrchen winselnd vor Glück wiedererkennt. Von nun an wird Dion Leonard den Hund nie mehr alleine lassen! Nachdem alle Papiere fertig sind, tritt er gemeinsam mit Gobi die wohlverdiente Heimreise in ein neues Leben an.

Ein wunderschönes Happy End für zwei Seelen, die füreinander bestimmt sind!

Dion Leonard: „Gobi gefunden zu haben, gehört zu den besten Dingen in meinem Leben“

Die wahre Geschichte – Mit Gobi durch die Wüste:

Einzelnachweise (abgerufen am 09.09.2019):
1. www.cbc.ca – How a little dog named Gobi changed an ultramarathoner’s life
2. www.blog.tagesanzeiger.ch – Die zwei Wunder von Gobi
3. www.crowdfunder.co.uk – Bring Gobi Home