Lesezeit: ca. 5 Minuten
Im Alter von 38 Jahren machte sich der Italiener Mauro Prosperi auf den Weg nach Marokko (Nordafrika), um an einem der härtesten Laufrennen der Welt teilzunehmen. Die Sportler mussten bei diesem Wettkampf in mehreren Etappen über 200 Kilometer quer durch die marokkanische Sahara zurücklegen. Mit Temperaturen von bis zu 50 Grad in prallend heißer Sonne und einem schweren Rucksack mussten die Läufer unvorstellbare Strapazen bewältigen. Mauro Prosperi hatte sich sehr gut auf dieses Extremrennen vorbereitet und war körperlich in einem optimalen Zustand. Nach den ersten drei Etappen war er schon im absoluten Spitzenfeld zu finden, als im vierten Streckenabschnitt plötzlich ein schwerer Sandsturm aufzog.
Mauro Prosperi: „Hart wie Nadeln biss sich der Sand in meine Augen und Ohren“
Mauro Prosperi wickelte sich einen Schal um den Kopf und kämpfte sich weiter durch das unerbittliche Unwetter. Doch zu seinem Unglück hatte der Wüstensturm die Wegmarkierungen weggefegt und Mauro Prosperi lief vollkommen in die falsche Richtung. Als sich der Sturm ein paar Stunden später wieder legte, wusste er nicht mehr, wo er sich befand. Trotzdem hetzte Mauro Prosperi weiter, um irgendwo nach Hilfe Ausschau zu halten, jedoch waren sein Wasser und sein Essen bereits nach kurzer Zeit vollkommen aufgebraucht. Er begann bereits in seine Wasserflasche zu urinieren, um irgendwie an Flüssigkeit zu kommen.

Am nächsten Tag nahte Rettung, als ein Hubschrauber über ihn kreiste. Mauro Prosperi machte mit allem, was ihm zur Verfügung stand auf sich aufmerksam, jedoch ohne Erfolg. Die Rettungskräfte übersahen ihn und der Hubschrauber drehte wieder ab. Nun packte Mauro Prosperi die nackte Verzweiflung, denn er befand sich ohne Proviant im größten Wüstengebiet der Welt, welches zudem von Menschen kaum bewohnt war. Begleitet von einer brütend heißen Sonne und umgeben von trockenen Sandböden war er nun ganz auf sich allein gestellt. Allmählich wurde der Körper von Mauro Prosperi schwächer, die fehlende Flüssigkeitsaufnahme machte sich immer stärker bemerkbar.
Am dritten Tag war Mauro Prosperi so am Boden zerstört, dass er sich bereits umbringen wollte, um einen gnädigeren Tod zu finden als das qualvolle Verdursten. Er fand eine verlassene Ruine, wo er sich die Pulsadern aufschneiden wollte. Nachdem er eine Abschiedsbotschaft an seine Familie verfasst hatte, holte er sein Messer aus dem Rucksack und legte sich zum Sterben in den Wüstensand. Am nächsten Morgen erwachte Mauro Prosperi überraschenderweise wieder, denn der Selbstmordversuch war gescheitert. Das Blut in seinem Körper war aufgrund des Wassermangels so zähflüssig und dick geworden, dass sich die Schnitte wieder von selbst verschlossen hatten. Mauro Prosperi war zwar nun noch schwächer als am Vortag, aber er nahm den beinharten Überlebenskampf erneut auf.
Mauro Prosperi: „Ich sah das als Zeichen, dass ich weiterleben sollte“

unter CC BY-SA 3.0
Mauro Prosperi beschloss, jede noch so kleine Chance zu nutzen, um am Leben zu bleiben. Noch in der Ruine erlegte er zwei Fledermäuse und saugte das Blut aus ihnen aus. Andere Tiere wie Schlangen, Insekten oder Eidechsen aß er roh, um seinem Körper wieder Energie zuzuführen. Mauro Prosperi verbrannte seinen Schlafsack, um den Rettungskräften mit dem aufsteigenden Rauch ein Lebenszeichen von ihm zu geben. Er kaute Wurzeln und Blätter und trank weiterhin seinen eigenen Urin. Tagsüber versteckte er sich hinter den Dünen, um sich vor der Sonne zu schützen. Als die Temperaturen in der Nacht abkühlten, machte er sich wieder auf den Weg.
Ständig führte er innere Dialoge mit seiner Familie, um mit dieser Extremsituation irgendwie fertig zu werden. Während sein Körper durchgehend erledigt war, hielten ihn seine kraftvollen Gedanken noch am Leben. Nach neun Tagen in der glutheißen Wüstenhölle stieß der halbtote Mauro Prosperi zufällig auf eine Nomadensiedlung, wo sie ihm im letzten Moment das Leben retteten. Er hatte fast 20 kg an Körpergewicht verloren und befand sich etwa 200 Kilometer von der ursprünglichen Laufstrecke entfernt.
Da die Behörden Mauro Prosperi bereits für tot erklärt hatten, war die Rettung eine echte Sensation. Sein unglaublicher Überlebenswille machte ihn in seiner Heimat zu einem echten Helden. Es zeigte, zu welchen Leistungen ein Mensch fähig war und welche Belastungen er wirklich meistern konnte. Mauro Prosperi brauchte ein ganzes Jahr, um sich wieder von dieser Tortur zu erholen. Aber er war geistig so gefestigt, dass er sich in späterer Folge wieder für diesen Wüstenlauf anmeldete und ihn tatsächlich beenden konnte.
Mauro Prosperi: „Die Wüste ist ein Traum. Sie bedeutet Unendlichkeit für mich“