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Mit jeder Erzählung begibt sich Nadia Murad zurück in eine Hölle, die mit Worten kaum zu beschreiben ist. Die zierliche Frau spricht trotzdem. Um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass in manchen Teilen der Welt Dinge passieren, die weit über die menschliche Vorstellungskraft hinausgehen.

Nadia Murad lebt gemeinsam mit ihrer Familie in einem Dorf im Nordirak. Sie geht zur Schule und hat Pläne, wie sie ihre Zukunft gestaltet. Sie will Lehrerin werden oder einen Schönheitssalon eröffnen. Es ist der 03. August 2014, als sie zum letzten Mal an ihre Träume denkt. Es ist der Tag, an dem die Terrormiliz Islamischer Staat in ihr Dorf einfällt und ein Blutbad anrichtet. Ihre Mutter, Brüder, Verwandte, Nichten und Neffen werden brutal ermordet, fast ihre ganze Familie ausgelöscht. Junge Frauen und Kinder werden gefangen genommen, auch Nadia Murad wird verschleppt. Nadia Murad ist 19 Jahre alt, als sich ihr Leben schlagartig ändert.

 

Der Sklavenmarkt ist eröffnet. Als die ersten Männer und Soldaten auftauchen, fangen alle Frauen flehend zu schreien an. Sie kauern sich zusammen und betteln, damit man sie in Ruhe lässt. Sie stöhnen vor Schmerzen und beginnen sich zu erbrechen, um irgendwie davonzukommen. Doch es hilft alles nichts. Wie auf einem Viehmarkt werden sie begrapscht, schmutzige Hände wandern ohne Rücksicht über ihre Körper. Trotz vieler Tränen beginnen die Peiniger, die Mädchen nach und nach wegzubringen. Die Mädchen wissen, dass sie sich ihrem Schicksal ergeben müssen.

Nadia Murad: „Wir waren nicht mal so viel Wert wie Tiere. Sie vergewaltigten Frauen in Gruppen. Sie taten, was man sich nicht vorstellen kann“

Auch Nadia Murad wird als Sklavin verkauft. Sie wird geschlagen, gefoltert und vergewaltigt. Immer wieder begehen Männer Verbrechen an ihrem Körper, bis sie ohnmächtig wird. Viele Frauen halten diese Qualen nicht aus und nehmen sich aus purer Verzweiflung das Leben. Nach drei Monaten unvorstellbarer Misshandlungen flüchtet die völlig verängstigte Nadia Murad in einem unbeobachteten Moment. Sie weiß, dass diese Flucht ihr sicheres Todesurteil bedeutet. Doch sie hat Glück. Mit Hilfe einer Nachbarsfamilie schafft sie es wegzukommen, ohne erwischt zu werden. Über ein Flüchtlingslager kommt sie schließlich nach Europa, wo sie endlich in Sicherheit ist.

Nadia Murad: „Du hast Angst davor, getötet oder gefoltert zu werden. Du denkst nur daran, wie du überleben kannst“

Nadia Murad ist eine der wenigen Frauen, die den Mut haben, über die Gräueltaten zu sprechen. Während über Mord und Entführungen konkret gesprochen wird, werden Massenvergewaltigungen verharmlost. Aufgrund der Demütigungen sprechen viele Betroffene nicht über das Geschehene. Auch aus Angst, aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden.

Nadia Murad stemmt sich dagegen und spricht öffentlich über sexuelle Gewalt als Kriegswaffe. Frauen werden gebrochen und Familien für immer zerstört. Ihr gelingt es, das Thema auf der ganzen Welt publik zu machen, um dagegen vorzugehen. Trotz ihrer eigenen Betroffenheit bleibt sie nicht im Zustand des Opfers, sondern gibt den Frauen, die noch immer als Sexsklaven gefangen sind, eine gewichtige Stimme.

Der Körper von Nadia Murad war zwar auf dem Schlachtfeld, doch ihre Seele zeigt eine bewundernswerte Stärke. Sie inspiriert die Menschen, niemals im Leben aufzugeben, egal wie schlimm das Schicksal zugeschlagen hat.

Für ihren tapferen Kampf erhält Nadia Murad 2018 den Friedensnobelpreis.

Nadia Murad: „Diese Welt hat nur eine Grenze. Sie heißt Menschlichkeit“

 

Das Buch von Nadia Murad:

Einzelnachweise (abgerufen am 04.10.2018):
1. www.zeit.de – Sie lässt sich nicht zum Schweigen bringen
2. gfbvblog.wordpress.com – Wir waren nicht mal so viel Wert wie Tiere
3. www.theguardian.com – I was an Isis sex slave
4. wikipedia.org – Nadia Murad