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Die Flutkatastrophe in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 in Hamburg war eine der verheerendsten Katastrophen in der Geschichte von Deutschland. Ausgelöst wurde die Flut durch das Sturmtief „Vincinette“ mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern. Er entwurzelte Bäume, zerstörte Dächer und ließ den Wasserstand erheblich steigen. Für die Hansestadt kam die Sturmflut überraschend, an hohe Wasserpegelstände waren sie gewöhnt und niemand rechnete mit dem Schlimmsten – bis die ersten Deiche zu brechen anfingen.

Das Wasser überraschte die meisten Hamburger im Schlaf. Erst am Abend, als die ersten Deiche schon gebrochen waren, lösten die Behörden Alarm aus- doch da war es bereits viel zu spät. Viele Mitarbeiter waren längst nicht mehr erreichbar, der Strom und die Telefone waren zum Teil schon ausgefallen. Sichere Gebiete konnten von dem Menschen nicht mehr erreicht werden, der Sturm wütete, und das Wasser stieg unaufhörlich. Durchnässt und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kämpften die Menschen um ihr Leben.

Zeitzeuge: „Wenn wir die Nacht bloß überleben“


Im Hamburger Rathaus herrschte Chaos. Im Durcheinander immer neuer Schadensmeldungen verloren selbst altgediente Verwaltungskräfte den Überblick. Keiner traute sich, Befehle zu erteilen. Der Bürgermeister war nicht vor Ort, die Senatoren mussten erst aus dem Bett getrommelt werden. Nur ein Mann schlief nicht.

Innensenator Helmut Schmidt (späterer deutscher Bundeskanzler) fuhr in dieser Nacht mit dem Zug von einer Konferenz in Berlin zurück. Kaum in Hamburg angekommen, erkannte er die ernste Situation und nahm die Zügel selbst in die Hand. Die einzige Hilfe vor Ort waren bis dato nur Ortsfeuerwehren und regionale Deichtrupps, die unkoordinierte Rettungsversuche starteten.

Couragiert organisierte er eine der spektakulärsten Rettungsaktionen in der Geschichte von Deutschland. Die Menschen standen für ihn im Vordergrund, Dienstvorschriften und Finanzierungsfragen interessierten ihn im Moment nicht. Er brach die Verfassung, da er die Bundeswehr um Hilfe bat, obwohl sie damals nicht für zivile Aufgaben herangezogen werden durften. Er rief die NATO zu Hilfe, und weil Schmidt viele Kommandeure persönlich kannte, machten sie mit. Es begann ein Wettlauf gegen die Zeit um die verzweifelten Menschen, die von der Umwelt abgeschnitten waren und um ihr Leben kämpften.


Helmut Schmidt, übernächtigt und kettenrauchend, studierte unermüdlich Deichkarten und diskutierte mit den Soldaten Einsatzpläne. Insgesamt kamen 25.000 Helfer zum Einsatz, die nun koordiniert, an den richtigen Stellen helfen konnten. Bei schwierigen Wetterverhältnissen konnten zahlreiche Menschen vor dem sicheren Erfrierungstod gerettet werden.

Die ernüchternde Bilanz der Hamburger Sturmflut: 314 Tote, 20.000 Obdachlose, 1/6 der Fläche Hamburgs überschwemmt, ein Sachschaden von ca. 750 Millionen Mark.

Bis heute ist die Hamburger Sturmflut von 1962 die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte von Deutschland.

Helmut Schmidt ignorierte viele Vorschriften, um die Rettungsaktion beschleunigen zu können. Durch dieses couragierte Handeln rettete er im Alleingang unzählige Menschenleben.