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10. April 1912

Eine große Menschenmenge hatte sich im Hafen von Southampton (England) eingefunden, um das derzeit größte Passagierschiff der Welt zu bestaunen. Die Titanic, 269 Meter lang, 28 Meter breit und über 50 Meter hoch war ein beeindruckendes Schiff und ließ alle anderen Schiffe im Hafen wie kleine Zwerge erscheinen. Die Jungfernfahrt nach New York stand nun unmittelbar bevor, alle Passagiere waren bereits an Bord gegangen. Drei lautstarke Pfeifsignale kündigten den Auslauf der Titanic an und der stolze Kapitän Edward John Smith gab das Kommando „Leinen Los“. Das gewaltige Schiff verließ kurz nach Mittag unter strahlendem Sonnenschein den Hafen, um sich auf den Weg durch den Atlantik nach Amerika zu begeben. Mit an Bord war auch die 21-jährige Roberta Maioni, die als Dienstmädchen für die Gräfin von Rothes arbeitete und schon aufgeregt auf ihre erste große Reise wartete.


Die Passagiere und die Besatzung des Schiffes verbrachten ruhige Tage an Bord. Mit den ruhigen Tagen war es für Roberta im positiven Sinn aber bald vorbei, als sie zum ersten Mal den jungen Steward, der zur Besatzung gehörte, sah. Ihr Herz war sofort Feuer und Flamme für den jungen Mann. Doch auch der junge Steward hatte bereits ein Auge auf das hübsche Dienstmädchen geworfen und so verliebten sie sich wie verrückt ineinander. Es war Liebe auf den ersten Blick und sie konnten beide nicht die Finger voneinander lassen. Die innige Liebe gedeihte von Tag zu Tag und erste Zukunftsplanungen wurden bereits für ein gemeinsames Leben geschmiedet.

14. April 1912, 23:40 Uhr

Mitten in der Nacht weckte ein Ruck die Menschen auf dem Schiff auf. Die Passagiere wurden aber sofort von den Besatzungsmitgliedern beruhigt und wieder in ihre Kabinen geschickt. Die Titanic galt als unsinkbar, was fest in den Köpfen der meisten Menschen verankert war. Den ganzen Tag über war nur zu hören gewesen, wie die Titanic die Überfahrt in neuer Rekordzeit schaffen würde. Das Schiff blieb aber nach diesem Stoß zur Seite geneigt, weshalb doch eine leichte Nervosität zu spüren war. Auch Roberta Maioni war beunruhigt, sie spürte instinktiv dass diese Nacht etwas Schlimmes passieren würde. Und sie sollte Recht behalten. Auf dem Oberdeck war bereits die Hölle los, der Befehl zur Evakuierung, welche am Anfang nur als Übung verstanden wurde, war jetzt bitterer Ernst, die Kollision mit einem Eisberg war nun Tatsache. Die Leute rannten hektisch hin und her, sie begriffen langsam, in welcher Gefahr sie sich befanden. Mittendrin befand sich auch Roberta, die aufgrund der Massenpanik nicht wusste, was sie tun sollte und völlig hilflos war. Plötzlich ergriff ein Steward ihren Arm.

Es war ihr Geliebter, der mit ihr sofort zu einem der wenigen Rettungsboote hastete. Sein Gesicht war versteinert und getrieben von Angst und Verzweiflung. Sie kämpften sich durch die aufgebrachte Menge und kamen schließlich beim Rettungsboot Nr. 8 an. Ohne zu zögern zog der Steward seine Schwimmweste aus und zog sie Roberta über und half ihr ins Rettungsboot. Es wäre eigentlich sein rettender Platz gewesen. Roberta glaubte noch, dass der Steward ihr ins Boot folgen würde, aber da war es bereits zu spät. Der Steward drückte Roberta noch schnell sein offizielles Dienstzeichen, einen weißen Stern mit der Aufschrift „Titanic“ in die Hand, da wurde das Boot auch schon ins Wasser hinuntergelassen. Zum Abschied blickten sie sich noch tief und sehnsüchtig in die Augen. Würde sich das Liebespaar je wiedersehen?


Das Rettungsboot entfernte sich immer mehr von der Titanic. In dieser klaren und kalten Nacht sah man von der Entfernung aus die verzweifelten Rettungsversuche der Menschen. Roberta sah wie die Titanic plötzlich aufrecht aus dem Wasser schoss, bis es im rechten Winkel sanft hinabtauchte, immer noch mit vielen Menschen an Bord. Robertas Herz pochte wild, was war mit ihrem Steward passiert? Plötzlich war die Titanic komplett abgetaucht und verschwunden in den Tiefen des Atlantiks. Roberta hörte Schreie von den im Wasser treibenden Menschen, war ihr geliebter Steward dabei? Die Rettungsboote ruderten aber von den um Hilfe Rufenden weg, aus Angst, ihr Boot könnte kentern, obwohl noch genügend Platz in den Booten war. Die Hilfeschreie wurden immer schwächer, bis sie allmählich ganz verstummten. Die Wassertemperatur lag bei unter 0°C, weshalb die meisten Menschen im eiskalten Wasser keine Chance hatten und an Unterkühlung starben.

Roberta Maioni sah ihren geliebten Steward nie wieder, er hatte den Untergang der Titanic nicht überlebt. Er rettete ihr das Leben, indem er sein Leben opferte. An diesem schrecklichen Abend starben mehr als 1500 der über 2200 an Bord befindlichen Personen. Der Untergang der Titanic zählt bis heute aufgrund der hohen Opferzahl zu den größten Katastrophen in der Seefahrt.

Roberta heiratete später einen reichen Geschäftsmann, sie hatten keine Kinder zusammen.

Roberta Maioni starb am 17. Jänner 1963 im Alter von 71 Jahren in einem englischen Pflegeheim. Sie litt an schwerer Arthritis, welche der Kälte in der Nacht des Untergangs der Titanic zugeschrieben wurde. Ihren Steward hat sie nie vergessen, sein Abzeichen hat sie bis an ihr Lebensende bei sich getragen. Im Herzen hat sie ihre Liebe zum Steward immer bewahrt, seine Identität hat sie jedoch nie aufgedeckt.

Die tragische Liebesgeschichte von Roberta und dem Steward soll Inspiration gewesen sein für den Film „Titanic“ (1997) unter der Regie von James Cameron. Die Hauptrollen bzw. das Liebespaar dabei spielten Leonardo DiCaprio und Kate Winslet. Der Film wurde ein großer Erfolg.

Die letzten Erinnerungsstücke von Roberta, darunter auch das Abzeichen des Stewards, wurden 1999 in England versteigert. Somit fand die unerfüllte Liebesgeschichte von Roberta und dem Steward ihr endgültiges Ende.