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Der Brite Ed Stafford hatte eine verrückte Idee, er wollte als erster Mensch den gesamten Amazonas entlangwandern – ohne Boot als Hilfsmittel. Der Amazonas, umgeben vom tropischen Regenwald, ist der wasserreichste Fluss der Erde und liegt im nördlichen Südamerika. Ed Stafford wollte mit einem Bekannten von der Quelle in Peru starten und den Amazonas bis hin zur Mündung in Brasilien im atlantischen Ozean begleiten. Was hatten sich die beiden Freunde da nur zugemutet? Welche Gefahren würden auf sie im Regenwald lauern? Die Amazonasbewohner erklärten die Abenteurer für verrückt und sagten ihnen voraus, dass sie dieses Unterfangen niemals schaffen bzw. überleben würden. Warum dachten sie so?

Ed Stafford: „Ich mache das nur, weil es noch niemand vor mir gemacht hat“

10% der Tierarten auf der ganzen Welt sind im Amazonas beheimatet, darunter auch viele lebensgefährliche Tiere. Darunter gehören Anakondas (Riesenschlangen), die bis zu 10 Meter lang werden können. Theoretisch wäre es möglich, dass diese Schlange eine erwachsene Person verschlingt, Ed Stafford klammerte sich jedoch an einen kleinen Strohhalm – bisher gab es nur Berichte von getöteten Kindern. Aber in der Nacht, wenn sich so eine Riesenschlange in das Zelt schlängeln sollte? Da wären menschenfressende Piranhas oder gefährliche Krokodile wahrscheinlich noch das kleinere Übel. Zusätzlich gäbe es da noch mordlustige Spinnen, aggressive Killer-Bienen oder riesige Ameisen. Wenn solche Ameisen auf Raubzug gehen, bringen selbst die Ureinwohner ihre Kinder und Kranken in Sicherheit. Zu Hunderttausenden stürzen sie sich auf das Opfer – in der Gemeinschaft ist solch eine Killerarmee unschlagbar.


Zitteraale können Stromstöße von bis zu 600 Volt erzeugen, die sogar ein Pferd töten könnten. Besser man macht einen großen Bogen um diesen gefährlichen Fisch. Der König des Amazonas ist jedoch der Jaguar. Diese Raubkatze lauert im Hinterhalt, oft auf einem hohen Ast, bis ein Opfer unter ihm erscheint. Dann stürzt er sich plötzlich mit seinen 100 Kilogramm auf dessen Rücken und tötet die Beute mit seinen messerscharfen Reißzähnen, ein wahrhaftiger Killer. Die weiteren Gefahren, die auf Ed Stafford und seinen Begleiter warten würden, seien hier nur nebenbei erwähnt – wie diverse Krankheiten oder auch aggressive und gewalttätige Naturvölker. Alle diese möglichen Gefahren schlummern sanft in ihrer Lebenswelt. Doch wehe, irgendjemand stört diese idyllische Ruhe in irgendeiner Weise. Am 2. April 2008 starteten Ed Stafford und sein Freund diese verrückte Tour, ohne Schusswaffen mitzunehmen.

Nach knapp drei Monaten war es für den Partner von Ed Stafford bereits zuviel und er gab auf. Doch Ed marschierte unbeirrt und trotz aller lauernden Gefahren weiter. In einem peruanischen Waldarbeiter namens Gadiel Sanchez Rivera fand er bald einen neuen Weggefährten, der ihn begleiten sollte. Sie ernährten sich von Fischen (auch Piranhas), Reis, Bohnen sowie Proviant von Dörfern, die ihren Weg kreuzten. Als sie jedoch in der Tiefe des Regenwaldes ein bestimmtes Gebiet überqueren wollten, wurden sie von einem dort einheimischen Indianerstamm gefangengenommen. Sie duldeten keine Eindringlinge und waren fremde Personen nicht gewohnt. Sie wurden sofort zu den Stammesoberhäuptern gebracht und mussten sich vollkommen nackt ausziehen. Keiner wusste was nun passieren würde, die Reise könnte nun ein ganz schnelles Ende finden. Doch irgendwie schafften es die beiden Abenteurer in letzter Minute den Indianern zu erklären, was sie eigentlich vorhatten. Nachdem ihr Gepäck von dem Stamm genauestens unter die Lupe genommen wurde – da sie die meisten Sachen nicht kannten durften sie bis auf ein Messer alles behalten – durften Ed und sein Begleiter weiterziehen, jedoch unter strengster Bewachung von einigen Führern aus dem Stamm. Vorsichtig und wachsam kämpften sie sich Schritt für Schritt weiter.


Ed Stafford konnte es kaum fassen, als die Wellen des Atlantiks seine wunden Füße umspülten. Der Rekordmarsch für die rund 6.400 Kilometer durch eines der gefährlichsten Gebiete der Welt hatte genau 859 Tage gedauert. Wie durch ein Wunder trotzte er allen Gefahren des Amazonas. 50.000 Mückenstiche und hunderte Wespenstiche hatte er einstecken müssen, 2x wurde er von einem Skorpion gebissen. In einer Pause musste er ganze 42 Zecken auf einmal aus seiner Haut entfernen. Ed Stafford war überglücklich, er hatte es tatsächlich geschafft. Wie konnte sich ein Mensch nur so quälen und warum?

Ed Stafford wollte mit dieser Tat auf die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes aufmerksam machen. Der Amazonas spielt eine ganz wichtige Rolle für das Weltklima. Der Regenwald speichert enorme Mengen an CO2, dieses Gebiet ist mit Abstand der größte CO2-Speicher der Welt. Werden nun diese Wälder zerstört, wird auch das gespeicherte CO2 wieder freigegeben, und große Mengen an Treibhausgasen würden in die Atmosphäre gelangen – der Klimawandel würde stark beschleunigt werden. Ed musste erschreckende Tatsachen erkennen, zum Beispiel als er durch riesige gerodete Flächen wandern musste. Mit seinem unglaublichen Mut und Einsatz hat es Ed Stafford tatsächlich geschafft, die Öffentlichkeit auf die aktuellen Umweltprobleme des Amazonas zu sensibilisieren. Ed Stafford ist Expeditionsleiter und von Beruf Schriftsteller. Von seinem Abenteuer wird er sicher noch viele Dinge zu erzählen haben, in der Hoffnung, viele Menschen hören ihm zu.

Ed Stafford: „Es ist unglaublich, hier zu sein. Es beweist, dass man alles schaffen kann, selbst wenn die Leute sagen, dass man es nicht kann. Ich habe bewiesen, dass man alles schaffen kann, wenn man es nur stark genug will“