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Zwei Diebe drangen in ein verlassenes radiologisches Institut ein, welches bereits seit einiger Zeit nicht mehr in Betrieb war. Die Klinik war unbewacht, und die Einbrecher erhofften sich noch einige wertvolle Dinge zu finden. Und tatsächlich wurden sie fündig, sie entdeckten ein veraltetes Bestrahlungsgerät, welches in der Vergangenheit dazu verwendet wurde, um krebskranke Menschen zu behandeln. Mit einer Schubkarre wurde das Gerät abtransportiert, und man versuchte in weiterer Folge, das Strahlengerät erfolglos zu zerlegen. Was die beiden Diebe jedoch nicht wussten war, dass das Gerät radioaktiv belastet war und einen hochradioaktiven Kern enthielt. Bald bekamen sie Fieber und litten an starkem Durchfall. Da sie mit der Diebesbeute nichts mehr anzufangen wussten und es beiden bereits sehr schlecht ging, verkauften sie es an einen Schrotthändler weiter.

Der Schrotthändler freute sich aufgrund des Schnäppchens, denn er glaubte mit dem Altmetall einiges an Profit erzielen zu können. So brach er den Bleimantel des Gerätes auf und entdeckte darin bläulich schimmernde Kristalle. Vollkommen fasziniert von dem leuchtenden Inhalt nahm er es mit nach Hause und gab es an Bekannte und Freunde weiter. Zusätzlich fertigte er aus dem Material einen Armreif für seine Frau an. Da Radioaktivität unsichtbar war, man es nicht schmecken und auch nicht riechen konnte, erkannte man erst viel zu spät die Gefahr. Als plötzlich mehrere Freunde des Schrotthändlers gleichzeitig erkrankten, wurde die Frau des Schrotthändlers stutzig. Am Anfang dachte sie noch an ein gemeinsames Getränk, welches alle tranken, aber bald viel ihr Verdacht auf den eigenartigen Behälter mit der leuchtenden Substanz.


So brachte sie den Behälter ins Krankenhaus, um ihn untersuchen zu lassen. Schnell stellte man die gefährliche Strahlung fest, und die verständigte Regierung leitete sofort ein umfassendes Notfallprogramm ein, denn mittlerweile hatte sich die Radioaktivität schon auf mehrere Wohnbezirke ausgebreitet. Es wurden 85 verseuchte Häuser festgestellt, einige mussten evakuiert und abgerissen werden. Bei weniger verstrahlten Häusern wurde mit speziellen Staubsaugern gearbeitet, die Wände und Decken mussten abgekratzt und neu gestrichen werden. Zehntausende Menschen wurden untersucht, viele davon waren bereits kontaminiert (verstrahlt). Über 13 Tonnen Atomabfall kamen zusammen und wurden in ein speziell betoniertes Endlager vergraben. Und das alles wegen eines unscheinbaren Gerätes, welches ein „wenig“ radioaktives Material verborgen hatte.

Diese Geschichte trug sich 1987 in der brasilianischen Stadt Goiânia tatsächlich so zu. Die zwei jugendlichen Diebe, die das Strahlengerät damals stahlen, hießen Wagner Mota und Roberto Alves und überlebten schwer verletzt, bei einem musste aufgrund der starken Bestrahlung ein Arm amputiert werden. Die Frau des Schrotthändlers verstarb genauso wie zwei Mitarbeiter des Schrotthändlers. Die sechsjährige Nichte des Schrotthändlers hatte ebenfalls keine Chance und bekam zuviel von der tödlichen radioaktiven Substanz ab. Sie wurde aufgrund der starken Verstrahlung in einem Sarg aus Blei mit Zementmantel begraben. Der Bruder des Schrotthändlers verstarb einige Jahre später, er verschleppte das Zeug auf seinen Bauernhof, wo mehrere Tiere qualvoll verendeten. Der Schrotthändler selbst überlebte mit viel Glück.

In dem Strahlengerät befand sich das radioaktive Cäsium 137. Bei hoher Strahlendosis verteilt es sich im ganzen Körper und kann die Körperzellen des Menschen schwer schädigen, was unausweichlich zum Tod führt. Bei niedrigerer Dosierung verändert es das Erbgut und kann langfristig zu Krebs führen. Bei der Reaktorkatastrophe 1986 in Tschernobyl gelangten große Mengen dieses radioaktiven Stoffes ebenfalls in die Freiheit. Es lagerte sich in Pflanzen an, die wiederum von Tieren gefressen wurden, so gelangte das Cäsium 137 in Milch, Fleisch und Fisch. Bei der Nuklearkatastrophe 2011 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima wurden auch extrem große Mengen dieses gefährlichen radioaktiven Stoffes freigesetzt, mit bedenklichen und unabsehbaren Folgen für die Menschen und die Natur in der Umgebung.

Egal ob Naturkatastrophe, menschliches Versagen oder wie in der Stadt Goiânia durch Diebstahl, immer wieder tauchen Wege und Möglichkeiten auf, wo Radioaktivität gefährlich für den Menschen wird. Trotz des technischen Fortschrittes halten uns diese Unfälle immer wieder vor Augen, wie verletzlich und angreifbar der Mensch eigentlich ist.