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Der 2. Weltkrieg neigte sich 1945 dem Ende zu, die Alliierten drangen bereits weit in das Deutsche Reich ein. Im Osten waren die sowjetischen Truppen unterwegs, um zum letzten Schlag gegen Berlin und Adolf Hilter auszuholen. Sie kamen dabei an dem kleinen deutschen Städtchen Bärwalde vorbei, welche von den Russen sofort besetzt wurde. Viele Einwohner wurden in Arbeitslager geschickt, unter ihnen war auch die 19-jährige Elvira Profé. In einem Zwangsarbeitertransport wurde sie bis ins nördlichste Russland verfrachtet, wo die zarte Frau von nun an knochenharte Arbeit verrichten musste.

Elvira Profé: „Bereits beim Transport in Viehwaggons kamen dutzende Menschen ums Leben. In Sibirien empfingen uns Hunger und Kälte, Scharlach und Sumpffieber forderten weitere Opfer“

Nach fast einem Jahr lag Elvira bereits krank und stark abgemagert im dortigen Lazarett. Weil sie für die Arbeit nicht mehr zu gebrauchen war, wurde sie wieder zurückgeschickt. Als sie jedoch in ihre Heimat zurückkehrte, konnte sie es kaum fassen, was sich dort in ihrer Abwesenheit abgespielt hatte. Bärwalde hieß jetzt Mieszkowice und gehörte jetzt zu Polen. Fast alle ihre Freunde waren geflüchtet oder wurden vertrieben, viele polnische Familien aus dem Osten wurden hier zwangsangesiedelt und lebten nun hier. Der einzige Lichtblick waren ihre Eltern, die noch immer hier waren. Ihr Vater wurde hier gebraucht, um eine Maßstabfabrik zu betreiben, die ihm vor der Besatzung der Russen noch selber gehörte. Aber nicht nur die Fabrik wurden der Familie genommen, auch das Haus und ihr ganzer Besitz. Kaum einer half den ausgegrenzten Deutschen, bis auf einen jungen und gutaussehenden Polen, der Fortunat Mackiewicz hieß.

Elvira Profé: „Es gab wenig zu essen. Aber am schlimmsten war, dass wir wie freilaufende Gefangene behandelt wurden, wir hatten keine Rechte“

Eines Tages klopfte Elvira an die Tür von Fortunat Mackiewicz, um um ein wenig Brot und Milch zu betteln. Als der 25-jährige Pole Elvira sah, hatte er sofort Mitleid mit der abgemagerten jungen Frau und gab ihr sofort etwas zu essen. In den folgenden Tagen verbrachte Elvira immer mehr Zeit bei der Familie von Fortunat, sie half die Kühe zu melken und das Heu zu schleppen. Fortunat und Elvira verbrachten viele Stunden miteinander, und mit der Zeit entwickelte sich eine behutsame Liebe zwischen ihnen. Bald wurde ihre Liebe und Zuneigung so stark zueinander, dass sie heiraten wollten.

Elvira Profé: „Erst waren wir Freunde. Freundschaft, eine große Freundschaft, Vertrauen. Und dann Liebe“

Aber die kommunistischen Bürokraten waren entsetzt über diese Beziehung zu einer Deutschen und untersagten ihnen die Heirat. Kurze Zeit später folgte der nächste schwere Rückschlag für die Verliebten, denn 1947 mussten plötzlich auch die letzten deutschen Menschen die Stadt Mieszkowice verlassen. Innerhalb weniger Stunden musste Elvira mit ihren Eltern die wenigen Habseligkeiten zusammenpacken und die Stadt verlassen. Elvira und Fortunat verabschiedeten sich schweren Herzens voneinander, zum Abschluss tauschten sie noch schnell Fotografien aus. Dann brach die Familie nach Deutschland auf, und Elvira und Fortunat sollten sich zum letzten Mal für eine sehr lange Zeit sehnsüchtig in die Augen schauen.

Elvira Profé: „Natürlich habe ich geweint. Aber es war keine Zeit für Trauer. Wir mussten ja überleben“

Zurück in Deutschland baute sich die Familie eine neue Firma auf, aber Elvira und Fortunat hörten nichts mehr voneinander. Und so verging die Zeit, und der Eiserne Vorhang trug ebenfalls dazu bei, dass sich die zwei Liebenden nicht wiedersehen konnten. Elvira dachte sehr viel an Fortunat, in ihrem Herzen war er immer bei ihr, aber die Zeiten waren hart und jeder musste nun allein seinen Weg gehen. Mit den Jahren verschwand immer mehr die Zuversicht, dass sie sich jemals wiedersahen. Als jedoch 1989 plötzlich die Mauer zum Osten fiel, keimte wieder Hoffnung auf, und Elvira nutzte die Grenzöffnung um nach ihrem Liebsten zu suchen. Nach einigen Missverständnissen spürte sie Fortunat schließlich auf, er arbeitete in einer Werkstatt für Landmaschinen, aber in einer anderen Gegend. Sie begannen sich zu schreiben und 1995, fast 50 Jahre nachdem sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, trafen sie sich am alten Bahnhof von Mieszkowice wieder. Elvira war mittlerweile 70 Jahre alt, Fortunat war 75 Jahre alt.

Elvira Profé: „Ich hatte sein Foto 50 Jahre lang bei mir gehabt. Wir fielen uns um den Hals und es war, als ob diese 50 Jahre einfach dahinschwinden, als ob diese 50 Jahre nie gewesen wären“

2005 schafften sie es schließlich doch noch zu jenem Ereignis, welches ihnen über die vielen Jahre verwehrt geblieben war, sie heirateten, denn ihre Liebe war über all die Jahre noch viel stärker zueinander geworden. Für ihren Lebensabend bauten sie sich ein kleines Haus in der kleinen Stadt Mieszkowice, wo sie sich seinerzeit kennengelernt hatten und eine so glückliche Zeit miteinander verbrachten.

Die beiden über 80-Jährigen genießen jeden Moment miteinander und sie sind sich in einer Sache mehr als sicher: „Die Liebe hält bis zum Lebensende, wenn es die wahre Liebe ist!“