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Richard Williams wurde am 29. Januar 1891 in der Stadt Genf (Schweiz) geboren und war leidenschaftlicher Tennisspieler. Er galt bereits in jungen Jahren als großes Talent, wobei er auch immer von seinen Eltern unterstützt wurde. Um seine Begabung noch weiter fördern zu können, wollte er sich auf eine lange Reise begeben. Im Alter von 21 Jahren fuhr er gemeinsam mit seinem Vater in die kleine französische Küstenstadt Cherbourg, um von diesem Ort aus den Atlantik nach Amerika zu überqueren. Er wollte dort an der Harvard Universität ein Studium beginnen und nebenbei an seiner Tenniskarriere arbeiten. Es war der 10. April 1912, als Richard Williams, gemeinsam mit seinem Vater und einigen weiteren Fahrgästen, auf das Schiff zustieg, welches sie nach New York bringen sollte. Es war das derzeit größte Passagierschiff der Welt, die Titanic.

Foto von F.G.O.Stuart

Williams träumte von einer erfolgreichen Zukunft in Amerika und seinem neuen Abenteuer, als er plötzlich aus dem Schlaf gerissen wurde. Die Titanic hatte einen Eisberg gerammt, durch diesen Anstoß wurden viele Menschen verunsichert. In den ersten Minuten herrschte noch Ruhe und Gelassenheit, diese Stimmung schlug aber schnell um, als die ersten Rettungsboote ins Wasser gelassen wurden und der Kapitän die Evakuierung der Titanic anordnete. Richard Williams und sein Vater halfen sofort anderen Passagieren, vor allem den Frauen und den Kindern, in die Rettungsboote zu gelangen.

Als sich die Titanic immer mehr zu neigen begann, brach bald Massenpanik aus. Den Menschen wurde bewusst, dass viel zu wenige Rettungsboote zur Verfügung standen, und auch für Richard Williams und seinem Vater war kein Platz mehr frei. Plötzlich konnte einer der vier riesigen Schornsteine der Titanic dem Druck nicht mehr standhalten und stürzte in die Menschenmenge. Im letzten Moment konnte Richard Williams ausweichen, jedoch hatte sein Vater keine Chance mehr und wurde von den einstürzenden Schornsteinteilen erschlagen. Zum Trauern blieb Richard Williams aber keine Zeit, denn das Schiff stand bereits kurz vor dem Untergang. Mit einem letzten verzweifelten Sprung sprang Richard Williams in das eiskalte Wasser des Atlantiks, um sich zu retten.

Vor den Augen von Richard Williams ging die Titanic unter, genau zwei Stunden und 40 Minuten nachdem sie mit einem Eisberg kollidiert war, er konnte sich mit letzter Kraft an einem beschädigten und umgekippten Rettungsboot festhalten. Viele Menschen trieben im Wasser und schrien verzweifelt um Hilfe, aber es sollte keine Hilfe kommen. Die Rettungsboote, die noch genügend Platz hätten, ruderten von den um Hilfe rufenden Menschen weg, aus Angst, ihr Boot könnte kentern. Bald wurden die verzweifelten Schreie immer weniger, bis sie kurze Zeit später ganz aufhörten. Es war eine bitterkalte Nacht und die Wassertemperatur lag bei unter 0°C, knapp oberhalb des Gefrierpunktes von Meereswasser. Die meisten Menschen hatten keine Chance und starben qualvoll an Unterkühlung.

Richard Williams war noch am Leben, gemeinsam mit etwa 30 anderen Personen klammerte er sich an das Boot fest. Innerhalb weniger Augenblicke war er von einem warmen Bett in die absolute Hölle gekommen und musste um sein Überleben kämpfen. Es herrschte nun unheimliche Stille, um Richard Williams trieben bereits überall tote Menschen, die noch vor wenigen Stunden vergnügt und lebendig am Schiff gewesen waren. Es war eine fürchterliche Situation und keiner wusste, wie es nun weitergehen würde. Richard Williams blickte in die verängstigten und blassen Gesichter der Menschen, die sich im Todeskampf am Boot festhielten. Durch die eisige Kälte starben aber auch hier bald die ersten Menschen an Unterkühlung, die Situation schien aussichtslos zu sein.

Richard Williams verließen immer mehr die Kräfte. Trotzdem kämpfte er weiter, er wollte noch nicht sterben, denn schließlich hatte er sein ganzes Leben noch vor sich. Mit unglaublichem Überlebenswillen hielt er durch, währende viele andere Menschen neben ihm den Kampf verloren und starben. Dieser unfassbare und qualvolle Überlebenskampf dauerte mehrere Stunden, bis Richard Williams völlig erschöpft von dem ersten Rettungsschiff, der RMS Carpathia, gerettet wurde. Die meisten Menschen, die sich wie er am Boot festgehalten hatten, waren nicht mehr am Leben.

Nach der Rettung merkte der an starker Unterkühlung leidende Richard Williams, dass er kein Gefühl mehr in seinen Beinen hatte. Ein Schiffsarzt riet ihm sofort zu einer Amputation der Beine, um am Leben zu bleiben. Richard Williams würde aber ohne seine Beine niemals eine Tenniskarriere starten können, und so sagte er dem Arzt, dass er seine Beine noch brauchen würde und entschied sich gegen eine Amputation, obwohl er wusste, dass es ihm das Leben kosten könnte.

Richard Williams versuchte nun behutsam, seine Beine wieder aufzuwärmen und die Blutzirkulation im geschädigten Gewebe wiederherzustellen. Während der gesamten Reise nach New York ging er deshalb alle zwei Stunden auf dem Schiff herum, um seine Beine in Bewegung zu halten. Zwischendurch wärmte er sich an einem Ofen, um sich warm zu halten. Es waren unglaubliche Schmerzen, die Richard Williams aushalten musste, jeder Schritt fühlte sich so an, wie wenn ihm jemand tausend Nadeln in seine Beine stechen würde. Richard Williams hielt diese Quälerei die nächsten Tage trotz der enormen psychischen Belastung beständig durch, auch während der Nacht. Und diese Ausdauer sollte sich noch bezahlt machen, denn bald kehrte tatsächlich das Gefühl in seinen Beinen zurück.

Richard Williams begann langsam wieder zu trainieren und Tennis zu spielen, er versuchte die Titanic-Katastrophe so gut es ging zu verarbeiten und positiv in die Zukunft zu blicken. Nur wenige Monate nach dem Titanic-Untergang und seinem Todeskampf gewann er sensationell den US-Open Titel in New York im gemischten Bewerb (Mann und Frau). In den Jahren 1914 und 1916 gewann er zudem die amerikanischen Tennismeisterschaften und spielte sehr erfolgreich in der Tennis-Nationalmannschaft der USA. Richard Williams holte in späteren Jahren noch eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen und wurde außerdem in die Tennis Hall of Fame aufgenommen.

Richard Williams überlebte nur knapp die Titanic-Katastrophe und schaffte es durch unfassbaren Willen, seine Beine zu retten und eine erfolgreiche Karriere im Tennis zu starten. Er versuchte immer das Beste aus seinem Leben zu machen, egal welche schweren Schicksalsschläge ihn auch trafen.

Richard Williams starb am 02. Juni 1968. Sein Überlebenswille beim Untergang der Titanic und seine erfolgreiche Karriere als Tennisspieler sind aber bis heute legendär.

Foto von Spyder Monkey