Lesezeit: ca. 4 Minuten
Henry Pearce wurde am 30. September 1905 in Sydney (Australien) geboren und wuchs in einer sportbegeisterten Familie auf. Sein Großvater war bereits australischer Meister im Einer-Rudern (von einer Person gerudertes Ruderboot), ebenso sein Vater. Und so fing auch Henry Pearce im Alter von erst sechs Jahren zu rudern an. Es wurde zu seiner großen Leidenschaft und er trat in die Fußstapfen seines Vaters, da er dreimal in Folge die australischen Meisterschaften im Einer gewinnen konnte. Seine Sternstunde folgte aber 1928 bei den Olympischen Sommerspielen in Amsterdam (Niederlande). Henry Pearce sorgte dort für einen der außergewöhnlichsten Momente in der olympischen Geschichte.
Henry Pearce war einer der Favoriten für den Einer-Wettbewerb und wollte seine erfolgreiche Karriere mit dem Gewinn der Goldmedaille krönen. Von Anfang an lief alles nach Plan und Henry Pearce, der in überragender Form war, gewann seine Läufe mit großen Vorsprüngen. Im Viertelfinale traf er auf den französischen Ruderer Victor Saurin, und auch in diesem Rennen hatte er sich bereits einen großen Vorsprung erarbeitet. Doch plötzlich herrschte Nervosität bei den Zuschauern und das Geschrei wurde lauter. Es sollten aber keine Anfeuerungsrufe für den in Führung liegenden Ruderer sein, sondern eine Warnung. Als Henry Pearce über seine Schulter blickte, sah er sofort die herannahende Katastrophe.
Eine Entenfamilie hatte sich gerade auf den Weg gemacht, seine Bahn zu kreuzen, um an das andere Ufer zu gelangen. Henry Pearce reagierte umgehend und hielt sein Ruderboot an, die drohende Kollision wäre übel für die Enten ausgegangen. Während die Mutter mit ihren Küken seelenruhig an ihm vorbeischwamm, riskierte Henry Pearce mit dieser Aktion seinen Traum von einer olympischen Goldmedaille. Sein Gegner kam nun immer näher und hatte seinen Rückstand schon fast wieder aufgeholt. Henry Pearce atmete tief durch und beobachtete abwechselnd die Enten und seinen immer näher kommenden Konkurrenten. Endlich hatte es die Entenfamilie geschafft, blitzschnell griff Henry Pearce wieder zu seinen Rudern und gab nun alles, was in ihm steckte. In einem unglaublichen und kräfteraubenden Finish schlug er tatsächlich noch seinen Widersacher und gewann diesen Lauf. Zusätzlich gewann er durch seine unfassbare Rettungsaktion die Sympathie einer ganzen Menschenmenge.
In der Folge konnte sich Henry Pearce seinen Traum verwirklichen und holte als erster australischer Ruderer überhaupt eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Es war auch die einzige Goldmedaille, die Australien bei diesen Spielen erringen konnte. Diesen Erfolg konnte er bei den Olympischen Sommerspielen 1932 in Los Angeles (USA) wiederholen und Henry Pearce gewann dort seine zweite Goldmedaille. Wieder war er der erste Australier, der einen olympischen Titelgewinn erfolgreich verteidigen konnte.
Henry Pearce übersiedelte nach Kanada und gewann noch mehrere Profi-Weltmeisterschaften im Rudern. Im Jahr 1938 wurde er zu Kanadas Sportler des Jahres gewählt und erhielt dafür die „Lou Marsh Trophy“.
Henry Pearce starb am 20. Mai 1976. Er war einer der erfolgreichsten Ruderer seiner Zeit und gewann viele wichtige Titel. Aber es waren nicht die vielen Siege, die den Leuten im Gedächtnis blieben. Die Menschen erinnern sich immer an den Mann, der bei einem so wichtigen Wettkampf wie den Olympischen Spielen anhielt, um eine Entenfamilie passieren zu lassen. Durch diese großherzige Tat sorgte Henry Pearce für einen der spektakulärsten Momente in der olympischen Geschichte.