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Wir befinden uns im Jahr 1954, seit Menschengedenken wurde in der Leichtathletik versucht, eine Meile (ca. 1,6 Kilometer) unter 4 Minuten zu laufen. Dies schien für die damaligen Sportler einfach ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Seit Jahrzehnten wurde es mit allen Mittel versucht, aber immer wieder scheiterten die Läufer klar. Man fand sich damit ab, dass der menschliche Körper niemals in der Lage sein würde, diese magische Hürde zu unterbieten. Diese Tatsache hatte sich bereits tief in den Köpfen aller Sportler und Fachleute festgesetzt, nicht aber bei einem jungen Leichtathleten: Roger Bannister. Roger Bannister wollte entgegen der allgemeinen Meinung die sogenannte Traummeile unter 4 Minuten laufen, und er war überzeugt, es auch schaffen zu können. Mit seiner Einstellung stand er aber alleine da, für sein gesetztes Ziel wurde er nur verspottet. Denn jeder auf der ganzen Welt wusste, dass dies nicht zu schaffen war.

Der 25-jährige Roger Bannister steckte gerade in der letzten Phase seines Medizinstudiums und nebenbei war er ein sehr talentierter Leichtathlet und Läufer. Aufgrund seines Studiums hatte er nur wenig Zeit für sein Training, und so entwickelte er seine eigenen Trainingsmethoden. Augrund der kurzen Mittagspause verzichtete er auf die langen und langsamen Dauerläufe wie von seinen Kollegen bevorzugt, er zog Schnelligkeit und Spritzigkeit vor. Mit diesen Intervall- und Tempoläufen brachte er sich gut in Form für ein Vorhaben, dass er unbedingt schaffen wollte: Eine Meile unter 4 Minuten zu laufen. Roger Bannister glaubte an sein Ziel, das Unmögliche möglich machen zu können. Entgegen der jahrelangen Gedankenblockade stellte er sich vor, wie das Gefühl sein würde, wenn er die 4 Minuten Hürde tatsächlich schaffen würde. Alle negativen und abfälligen Kommentare um ihn herum blendete er so gut es ging aus und er konzentrierte sich nur auf sich. Diese intensiven Emotionen begleiteten ihn bis zu dem Tag, an dem das Rennen stattfand.


Gut 1.000 Zuschauer waren in das kleine, zur Universität Oxford gehörende Stadion gekommen. Das Wetter war nicht gut, Regenwolken und Wind verhießen nichts Gutes. Roger Bannister war nervös, aber trotzdem voll auf sein Ziel fokussiert. Er schliff ein letztes Mal die Nägel seiner Laufschuhe und begab sich dann gemeinsam mit seinen fünf Konkurrenten zum Start. Die Anspannung stieg von Minute zu Minute, gleich würde das Rennen über knapp vier Runden beginnen. Die meisten Menschen wussten von seinem Vorhaben, glaubten aber nicht an seinen Erfolg, obwohl Roger Bannister als großes Talent gesehen wurde. Plötzlich ertönte der Startschuss, die Läufer starteten, und mittendrin befand sich Roger Bannister.

Es war ein sehr schnelles Rennen, und Roger Bannister fühlte sich gut. Er gab alles was in ihm steckte, sein spezielles Training dürfte sich anscheinend bezahlt machen. Die erste, zweite und dritte Runde gingen wie im Flug vorbei und er spürte, dass heute eine große Sensation möglich war. Mittlerweile merkten auch die Zuschauer, dass sie Roger Bannister möglicherweise doch unterschätzt hatten und verwandelten das kleine Stadion in ein lautstarkes Tollhaus. Sie jubelten und feuerten Roger Bannister lautstark an, sie alle wollten jetzt den Weltrekord sehen. Die letzten 200 Meter waren angebrochen, und Roger Bannister setzte sich überlegen an die Spitze. Er könnte den Weltrekord schaffen, jedoch waren die letzten Meter bis zum Ziel von entscheidender Bedeutung. Roger Bannister hörte die Anfeuerungen der Zuschauer nicht mehr, die Welt um ihn schien stillzustehen. Je näher er dem Ziel kam, desto weiter schien sich das Zielband von ihm zu entfernen. Er schwebte nun förmlich dem Ziel entgegen, er spürte, dass einer der bedeutendsten Momente in seinem Leben gekommen war. In einem atemberaubenden Tempo durchquerte Roger Bannister die Ziellinie und brach danach völlig erschöpft zusammen. Die anwesenden Leute waren völlig außer sich, es könnte wirklich ein neuer Weltrekord gewesen sein. Hatte es dieser junge Student tatsächlich geschafft?

Nach ein paar Minuten verkündete der Platzsprecher Norris McWhirter das endgültige Ergebnis, welches sich bald wie ein Lauffeuer über die ganze Welt verbreiten sollte: 3:59,4 Minuten, neuer Weltrekord! Nun brachen alle Dämme, die Zuschauer waren gerade Zeitzeugen von einem der denkwürdigsten und markantesten Leichtathletik-Weltrekorde aller Zeiten geworden. Noch nie gab es einen Läufer, der die Traummeile unter vier Minuten gelaufen war, bis Roger Bannister kam. Die Zeitungen auf der ganzen Welt überhäuften sich mit dieser Sensationsmeldung, dieser Weltrekord schlug ein wie eine Bombe. Die jahrelangen Diskussionen um die Traummeile waren nun endgültig vorbei, es war tatsächlich möglich, sie unter vier Minuten zu laufen. Dieser Rekord hatte einen so hohen Stellenwert, dass sogar eine Tagung in der ehrwürdigen Oxford Union Society für genau 3:59,4 Minuten unterbrochen wurde, um den Rekord von Roger Bannister zu ehren.

Roger Bannister wurde noch im selben Jahr Europameister über 1500 Meter in Bern (Schweiz) und erklärte aber am Ende der gleichen Saison, im Alter von nur 25 Jahren, seinen Rücktritt vom aktiven Sport, um sich von nun an voll und ganz seiner Karriere als Neurologe zu widmen. Er blieb aber dem Sport in weiterer Folge noch in vielen verschiedenen Funktionen erhalten.

Roger Bannister erbrachte für damalige Verhältnisse eine übermenschliche Leistung. Er setzte sich seine eigenen Grenzen und hörte nicht auf die so genannten Fachleute, die sein Vorhaben für unmöglich hielten. Sein Körper folgte bis zum Schluss seinen mentalen Vorstellungen, die Traummeile unter vier Minuten laufen zu können.

Aber wie ging es mit der so genannten Traummeile weiter? Nur wenige Wochen nach seinem sensationellen Lauf wurde sein Rekord gebrochen, und in den kommenden Jahren schafften es bereits viele Läufer, diese Traummarke zu unterbieten. In Erinnerung blieb aber nur Roger Bannister, der als erster Mensch diesen Meilenstein geschafft hatte und so eine bis dato unüberwindbare Barriere für viele Sportler auf der ganzen Welt im Alleingang beseitigt hatte. Das US-Magazin „Forbes“ wählte seinen Rekordlauf zur größten sportlichen Leistung der vergangenen 150 Jahre.

Roger Bannister: „Mein Lauf wurde zu einem Symbol dafür, eine Herausforderung anzunehmen. Ich sehe diesen Weltrekord gerne als eine Metapher nicht nur für den Sport, sondern für das Leben und seine Herausforderungen. Ich freute mich immer darauf, dass ich vielen Läufern nach mir das Unmögliche möglich erscheinen ließ und sah auch, wie sie es dann schafften“