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Der zwölfjährige Achmed spielte mit seinen Freunden in der palästinensischen Flüchtlingsstadt Jenin (im israelisch besetzten Westjordanland), als plötzlich israelische Soldaten auftauchten, um eine Militärrazzia durchzuführen. Jenin bedeutete für die israelische Armee eine große Gefahrenzone, denn viele Selbstmordattentäter, die Anschläge auf Israel verübten, befanden sich in dieser Stadt, weshalb hier immer wieder militärisch kontrolliert wurde. Die Kinder spielten mit Spielzeuggewehren, die harmlos und ungefährlich waren. Die israelischen Soldaten jedoch hielten die harmlosen Spielzeugwaffen für echt, und blitzartig fielen Schüsse auf die Kinder.


Der geschockte Vater brachte den verwundeten Achmed noch schnell in ein Krankenhaus, aber der kleine Junge hatte keine Chance, denn eine Kugel hatte ihn tödlich am Kopf getroffen. Der Vater, Ismael Khatib, hockte am Bettrand seines Sohnes und konnte das Unglück kaum fassen. Mit Tränen in den Augen dachte er an die verhassen Erzfeinde aus Israel, die ihm soeben das Liebste in seinem Leben genommen hatten.

In dem Nahostkonflikt zwischen den arabischen Palästinensern und Israel (vor allem jüdische Bevölkerung) ging es immer um das Thema möglicher Staatsgrenzen, die immer strittig und ungeklärt waren. Zahlreiche Kriege wurden geführt, viele Palästinenser wurden aus Israel vertrieben und lebten wie Ismael Khatib in einfachen Flüchtlingslagern. Der gegenseitige Hass steigerte sich bis ins Unermessliche, israelische Zwangsansiedelungen mit jüdischen Siedlern in palästinensischen Gebieten wurden von den Palästinensern im Gegenzug mit Gewalt, etwa mit Selbstmordattentaten in Israel, gekontert. Ein ewiger Kreislauf der Gewalt, seit vielen Jahren.

Ein Krankenpfleger im Krankenhaus machte den Vater darauf aufmerksam, dass die Organe seines Sohnes gespendet werden konnten. Während viele hasserfüllte palästinensische Menschen Rache für Achmed schworen und mit Vergeltungsschlägen gegen Israel drohten, traf Ismael Khatib eine bemerkenswerte und weitreichende Entscheidung. Im größten Moment seines Schmerzes willigte er ein, dass israelische Kinder mit den Organen seines Sohnes gerettet werden konnten. Auf einmal hatte der Vater mit Anfeindungen aus den eigenen Reihen zu kämpfen, denn die Organe dem Feind zu überlassen, irritierte die Menschen. Aber Ismael Khatib wiederholte immer wieder den selben Satz: „Kinder sind nicht meine Feinde, sie tragen keine Schuld“.

Ismael Khatib: „Viele Israelis hätten es lieber gehabt, ich hätte mich in die Luft gesprengt, die Organspende hat sie mehr durcheinander gebracht, als wenn ich ein Terrorist wäre. Die Welt soll wissen, dass auch wir Palästinenser das Leben lieben und unsere Kinder“

Fünf israelische Kinder führen heute durch die mutige Entscheidung des Vaters und durch die Spenden von Herz, Nieren, Leber und Lunge ein sorgenfreies Leben. Später besuchte Ismael Khatib einige der geretteten Kinder in Israel, welche nun wohlauf und gesund waren. In ihnen lebte sein Sohn weiter, darin war sich der Vater sicher, auch wenn es sich um „feindliche“ Kinder handelte.

Die Geschichte des Palästinensers Ismael Khatib aus Jenin, der die Organe seines von israelischen Soldaten erschossenen Sohnes an israelische Kinder spendete, erlangte internationales Interesse und wurde sogar verfilmt. Er kämpfte nicht mit Gewalt gegen seine Feinde, sondern mit einer noch viel mächtigeren Waffe: der Menschlichkeit. Selbst der größte Hass hatte gegen diese großherzige Tat nicht den Funken einer Chance.

Ismael Khatib: „Ich wollte nicht, dass mein Sohn nur eine Nummer in der Statistik bleibt. Ich habe gespürt, dass Achmeds Botschaft die ganze Welt erreichen würde“