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Heinrich Harrer wurde am 06. Juli 1912 in Kärnten (Österreich) geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war Postbeamter und seine Mutter war Hausfrau, für ihn war ein normales und bürgerliches Leben vorprogrammiert. Aber Heinrich Harrer war anders als viele junge Menschen, denn er verspürte schon früh den Drang als Abenteurer die Welt zu entdecken. Bereits während seiner Schulzeit und seinem erfolgreichen Studium (Geographie und Sport) zog es ihn immer wieder in die freie Natur. Er war sportlich sehr aktiv, er verdiente sich sein Taschengeld mit Bergführungen und mit Skikursen und wurde außerdem akademischer Abfahrtsweltmeister im Skifahren. Da er sehr talentiert war, übernahm er zwischenzeitlich auch die Damenski-Nationalmannschaft als Trainer, nebenbei machte er auch noch Leichtathletik und wurde sogar österreichischer Golfmeister. Doch eine Freizeitbeschäftigung hatte es ihm besonders angetan, die Faszination vom Bergsteigen.


Im Alter von 26 Jahren bestieg er erfolgreich gemeinsam mit drei anderen Männern die berüchtigte und gefährliche Eiger-Nordwand in der Schweiz. Noch nie zuvor war dies einem Bergsteiger gelungen, denn die meisten Kletterer kamen bei dieser „Mordwand“ ums Leben. Durch diese waghalsige Besteigung wurden sie sogar vom damaligen Diktator Adolf Hitler empfangen, der den Heldenmut der Männer für seine Propaganda-Zwecke ausnutzen wollte. Aber Heinrich Harrer war nur an seiner Abenteuerlust interessiert und begab sich kurze Zeit später 1939 auf eine Erkundungsexpedition zum Nanga Parbat (Berg im Himalaya Gebirgssystem in Asien). Doch diese fand ein schlagartiges Ende, denn aufgrund des ausweitenden Zweiten Weltkrieges wurden die Expeditionsteilnehmer gefangengenommen und in ein britisches Internierungslager in Nord-Indien verfrachtet.

Für Heinrich Harrer war die Freiheit in seinem Leben schon immer am wichtigsten gewesen, aus diesem Grund war er sehr unglücklich in diesem vom Stacheldraht eingezäunten Lager. Und so dachte er sofort an eine Flucht aus dieser Gefangenschaft und bereitete sich auch gewissenhaft darauf vor. Er trainierte täglich seinen Körper um seine gute Kondition zu erhalten, egal wie schlecht das Wetter auch war. Zusätzlich lernte er Tibetisch und Japanisch, um sich mit den Einheimischen verständigen zu können. Trotz zahlreicher missglückter Ausbruchsversuche, die immer mit langer Einzelhaft bestraft wurden, gab Heinrich Harrer nicht auf, und beim fünften Versuch schaffte er es tatsächlich. Nach mehreren Jahren der Gefangenschaft machte er sich am 29. April 1944 auf zur Flucht nach Tibet. Dieser Weg war gepflastert von unmenschlichen und unvorstellbaren Strapazen, weshalb es kaum ein anderer Gefangener wagte, diesen Weg einzuschlagen.


Heinrich Harrer und sein Freund Peter Aufschnaiter machten sich gemeinsam auf den Weg zur verbotenen Stadt Lhasa, der tibetischen Hauptstadt. Sie gaben sich als reisende Pilger aus, aber immer mussten sie fürchten, wieder eingefangen und eingesperrt zu werden. Die Reise war sehr beschwerlich, sie mussten zahlreiche Gebirgspässe von über 5.000 Metern überwinden und durch viele kalte Flüsse wandern. Heftige Schneestürme, zweistellige Minusgrade, Erfrierungen und fehlende Nahrung machten ihre abenteuerliche Reise zu einer unglaublichen Herausforderung. Immer wieder trafen sie unterwegs auf umherziehende Nomaden, die sie meistens freundlich aufnahmen und sie auch mit Essen versorgten. Nach fast zwei Jahren unvorstellbarer Qualen erreichten sie schließlich die Stadt Lhasa, über 2.000 Kilometer Fußmarsch hatten sie bis dahin hinter sich gebracht. Doch wie würden die Einwohner auf die zwei schmutzigen und verwahrlosten Wanderer reagieren? Denn diese auf 3.600 Meter Meereshöhe gelegene Hauptstadt von Tibet war zur damaligen Zeit weitgehend unerforscht und vollkommen abgeschieden von der restlichen Welt gewesen.


Entgegen aller Befürchtungen wurden sie jedoch weder erkannt noch zurückgehalten, als sie durch das Haupttor dieser Stadt eintraten. Die unter Hunger und Kälte leidenden Abenteurer wurden bald von einem Adeligen aufgenommen, sie konnten sich nun waschen, bekamen frische Kleidung und konnten ihre bereits langen Bärte rasieren. Ihre Geschichte von der Flucht aus dem Gefängnis und der abenteuerlichen Reise durch weitgehend unerforschte Gebiete verbreitete sich rasant, und die Bewohner schätzten die Ausdauer und den Mut der Reisenden. Bald wurde das Vertrauen in die Wanderer größer, und Heinrich Harrer und Peter Aufschnaiter durften tatsächlich in dieser fremden und geheimnisvollen Stadt bleiben. Sie arbeiteten nun für die tibetische Regierung, bauten Bewässerungsanlagen, Kanäle und Dämme, denn Lhasa war im Gegensatz zu zivilisierten Städten stark unterentwickelt. Heinrich Harrer lernte eine total fremde Kultur kennen und war vollkommen fasziniert von der Religion und der Einstellung der Menschen hier.

Heinrich Harrer: „Schon nach kurzem Aufenthalt war es mir nicht mehr möglich, gedankenlos eine Fliege zu töten. Und in Gesellschaft eines Tibeters hätte ich es nie gewagt, nach einem Insekt zu schlagen, nur weil es mir lästig war“

Da Heinrich Harrer ein sehr belesener Mann war, wurde er bald beauftragt, den damaligen jungen 14. Dalai Lama (Oberhaupt des tibetischen Buddhismus), zu unterrichten. Er brachte ihm die westliche Kultur näher und lehrte ihm Englisch und Geographie. Der junge Dalai Lama, der damals 14 Jahre alt war, war sehr interessiert an den Erzählungen von Heinrich Harrer und sie verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen, trotz der unterschiedlichen Herkunft. Tibet wurde für Heinrich Harrer zur zweiten Heimat, hier fühlte er sich wohl. Inmitten der faszinierenden Landschaften, der mächtigen Berge und der Flüsse spürte er die Natur, so wie er es sich vorstellte, zusätzlich konnte er hier unerforschte Gebiete erkunden und fremde Kulturen kennenlernen.


Im Herbst 1950 war das ruhige Leben für Heinrich Harrer und seine Freunde aber schlagartig vorbei, denn chinesische Truppen besetzten gewaltsam das Land. Tempel und Klöster wurden zerstört und viele Tibeter wurden umgebracht. Als die Truppen immer näher an Lhasa heranrückten, musste Heinrich Harrer, genauso wie viele Tibeter und auch der Dalai Lama, fluchtartig fliehen. In dieser hektischen Zeit musste sich Heinrich Harrer von seinen Freunden verabschieden und kehrte 1952 nach über 13 Jahren im Ausland wieder in seine Heimat nach Österreich zurück. Überwältigt von seinen Eindrücken und Erlebnissen in einem weit entfernten Land begann er, Bücher zu schreiben und seine Abenteuer in Fernsehsendungen zu erzählen.

Heinrich Harrer unternahm noch viele weitere Reisen, denn seine Abenteuerlust war noch nicht zu Ende. Er erforschte den Amazonas (Südamerika), bestieg als erster Mensch die „Carstensz-Pyramide“ (Berg in Indonesien) und reiste in die entlegensten Gebiete der Welt, um darüber zu berichten. In späteren Jahren besuchte er auch wieder seine große Liebe Tibet, wo er eine so lange Zeit verbrachte, und dachte zurück an die glückliche Zeit und die unbeschwerten Stunden mit seinem Freund, dem Dalai Lama.


Heinrich Harrer bereiste als Forscher und Entdecker die ganze Welt. In einer Zeit, in der viele Gebiete noch unentdeckt waren, schritt er mutig voran und ging immer Wege, die noch nie ein Mensch zuvor gewagt hatte. Er trug wesentlich dazu bei, Tibet für die westliche Welt zu öffnen und international bekannt zu machen. Sein geschriebenes Buch „Sieben Jahre in Tibet“, wo er über sein Leben in Tibet berichtete, wurde zum internationalen Bestseller und wurde in über 50 Sprachen weltweit übersetzt. Diese Geschichte wurde 1997 verfilmt, der Regisseur, der Hauptdarsteller Brad Pitt sowie andere Darsteller wurden aus diesem Grund von China mit einem lebenslangen Einreiseverbot nach China belegt, da China die Unabhängigkeit Tibets bis heute nicht anerkennen will. Viele Aufstände in Tibet werden bis heute von China brutal niedergeschlagen.

Heinrich Harrer starb am 07. Januar 2006 im Alter von 93 Jahren. Bis zum Schluss pflegte er eine enge Freundschaft zum 14. Dalai Lama, dem er seinerzeit Unterricht gab. Er lebte sein Leben immer so, wie er es wollte. Voller außergewöhnlicher Abenteuer und Geschichten, die Menschen bis heute faszinieren.

Heinrich Harrer: „Die Frage, warum man etwas Ungewöhnliches unternimmt, stellt sich gar nicht. Die Begründung könnte ganz einfach die Lust am großen Abenteuer sein“