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Sophie van der Stap war 21 Jahre alt und genoss das Leben in vollen Zügen. Sie studierte Politologie, traf sich mit Freunden, ging auf Partys und begab sich gerne auf Reisen. Da sie aber immer öfter unter Atembeschwerden und Erschöpfungszuständen litt, musste sie Ärzte aufsuchen, um sich einer Kontrolle zu unterziehen. Bald folgte für die junge Studentin eine schockierende Diagnose, denn es wurde eine bösartige Form des Muskelgewebekrebs („Rhabdomyosarkom“) festgestellt, welcher sich an ihrem Lungenflügel festgesetzt hatte. Während für alle Freunde von ihr das Leben weiterging wie bisher, musste Sophie van der Stap einen komplett neuen Lebensweg einschlagen. So beschäftigte sie sich nicht mehr mit der Zukunft, sondern sie dachte überwiegend über den Tod nach, über welchen sie sich noch kurz zuvor überhaupt keine Gedanken gemacht hatte.

Foto von Janey van Ierland
unter CC BY 3.0

Die ersten Tage und Wochen waren für Sophie van der Stap schwer zu überstehen. Sie fühlte eine innere Leere und weinte sich jeden Tag in den Schlaf. Die junge Frau musste akzeptieren, dass sie Krebs hatte und dass der mögliche Tod nun ständiger Begleiter von ihr sein würde. Trotz ihrer Verzweiflung beschloss Sophie van der Stap, den Kampf gegen diese heimtückische Krankheit aufzunehmen. Unterstützt von ihrer Familie und ihren Freunden schöpfte sie neue Hoffnung, aber es sollte ein mühsamer und beschwerlicher Weg werden.

Sophie van der Stap: „Das Schlimmste waren die ersten Wochen. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, erlebte ich den Alptraum wieder“

Sophie van der Stap musste eine anstrengende Chemo- und Strahlentherapie über sich ergehen lassen. Die ständigen Schmerzen brachten sie an den Rand der Belastbarkeit, zusätzlich war sie oft an ihren neuen Weggefährten, einem Infusionsständer, mit dem sie einsam durch die Flure des Krankenhauses schlenderte, gebunden. Es war eine ungeheure psychische Belastung für Sophie van der Stap, ihre Gefühle schwankten ständig zwischen Angst und Hoffnung. Zu dieser inneren Zerrissenheit kamen jedoch noch andere Merkmale zum Vorschein, denn sie verlor durch die Therapie ihre Haare, ihre Wimpern und ihre Augenbrauen. Der Krebs prallte jetzt mit ganzer Wucht auf die junge Frau, welche auch mit Schweißausbrüchen und ständiger Erschöpfung zu kämpfen hatte. Aber Sophie van der Stap wollte sich durch ihre Krankheit nicht unterkriegen lassen und sich wie die meisten anderen Menschen zurückziehen, sie ging in die Offensive und kaufte sich ihre erste Perücke.

Sophie van der Stap: „Die Perücken halfen, mit der Krankheit anonym in der Öffentlichkeit zu sein“

Mit der Perücke ging es Sophie van der Stap viel besser. Sie konnte dadurch ihre Krankheit verstecken und es war für sie eine wesentliche Stütze für ein normales Leben. Bald kaufte sie sich verschiedenartige Perücken mit unterschiedlichen Haarfarben. Sophie van der Stap lernte, wie sie sich am besten schminken konnte. Sie zeichnete sich ihre Augenbrauen nach, benutzte Eyeliner und verschiedene andere Abdeckprodukte, um ihre Müdigkeit und ihr blasses Gesicht vertuschen zu können. Sophie van der Stap begann, sich mit jeder Perücke anders zu schminken und entdeckte, dass sie von nun an verschiedene Persönlichkeiten durch die unterschiedlichen Perücken ausleben konnte.


Sophie van der Stap: „Für mich war es eine Suche, wie ich trotz Krankheit Spaß am Leben haben konnte“

Sophie van der Stap beschloss, ihren Perücken Namen zu geben, Pam, Daisy, Sue oder Blondie. Sie wechselte ihre künstlichen Kopfbedeckungen von nun an mit ihrer Stimmungslage, einmal war sie mit sexy Perücke und glamourösem Make-up unterwegs, ein anderes Mal schminkte sie sich unauffällig und war das normale Mädchen von nebenan. Die verschiedenen Perücken stärkten das Selbstvertrauen von Sophie van der Stap und gaben ihr Kraft, sie sah im Spiegel eine Frau, die schön und attraktiv war, und genauso fühlte sie sich dann auch. Sie ging unter die Leute und versuchte das Leben so zu leben, wie sie es vorher auch getan hatte. Denn jetzt hatte sie spezielle Freundinnen an ihrer Seite, auf die sie jederzeit zurückgreifen konnte.

Sophie van der Stap: „Wenn ich eine Perücke aufhatte, war der Krebs zwar noch da, aber der Krebs war in diesem Moment nicht schlimm und die Traurigkeit war weg“

Gemeinsam mit ihren Perücken hatte Sophie van der Stap noch viele beschwerliche und kräftezehrende Krankenhausaufenthalte zu überstehen, aber mit einer außergewöhnlichen Willensstärke schaffte sie es, den Krebs zu besiegen. Trotz ihrer schweren Krankheit strahlte Sophie van der Stap eine erstaunliche Lebensfreude aus und wurde so Vorbild für viele Menschen, niemals die Hoffnung aufzugeben.

Sophie van der Stap verfasste ein Buch über ihre Geschichte und ein Film wurde über sie gedreht, welcher von einer lebenslustigen Frau erzählte, die ihren eigenen Weg im Kampf gegen den Krebs ging und damit erfolgreich war.

Sophie van der Stap: „Ich wollte zeigen, dass ein Leben mit Krebs ein gutes Leben sein kann. Man darf und kann trotzdem glücklich sein“