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Im Jahr 2003 schaffte die Regierung in Kenia (Afrika) die Gebühren für die Grundschule ab, um jedem Bürger das Recht auf Schulbildung zu ermöglichen. Dies hatte einen enormen Andrang zur Folge, weil sich viele ärmere Familien die Schule bis dahin nicht leisten konnten. Unter dem großen Zustrom befand sich auch Kimani Maruge, welcher sich bereits sehr auf die beginnende Schulzeit freute. Aber er unterschied sich grundlegend von seinen vor allem jüngeren Mitschülern, denn er war bereits 84 Jahre alt.

Kimani Maruge wuchs in den 1920er Jahren in Kenia in armen Verhältnissen auf. Als Kind hatte er nie die Möglichkeit gehabt, eine Schule zu besuchen. Im Mau-Mau-Krieg in den 1950er Jahren kämpfte er für die Unabhängigkeitsbewegung gegen die Kolonialmacht Großbritannien, wo er schlimmsten Folterungen ausgesetzt war. Als im Jahr 1963 Kenia endlich unabhängig wurde, glaubte Kimani Maruge, dass die Schulkosten nun abgeschafft werden würden. Doch sie blieben bestehen und Kimani Maruge blieb weiterhin die Schule verwehrt. Nach Jahrzehnten vergeblichen Wartens wollte Kimani Maruge das Bildungsangebot nun endlich in Anspruch nehmen und meldete sich voller Vorfreude für die erste Klasse der Grundschule an.
Kimani Maruge: „Freiheit bedeutet, die Schule und Lernen gehen. Du bist nie zu alt zum Lernen“
Kimani Maruge wurde aber von der Schule nur weggeschickt, denn man wollte keinen 84 Jahre alten Schüler in der Klasse haben. Aber Kimani Maruge beharrte auf sein Recht, er blieb hartnäckig und wurde durch seine Zielstrebigkeit schließlich doch von der Schule aufgenommen. Sein wichtigstes Ziel war lesen und schreiben zu lernen, damit er auch endlich selbst in der Bibel lesen konnte. Kimani Maruge nutzte jede Minute und lernte so viel er konnte. In seinem Alter war das zwar nicht mehr so leicht, aber er legte eine so große Leidenschaft an den Tag, dass er sogar zum Schulsprecher gewählt wurde. Kimani Maruge war ein Vorzeigeschüler, mit Ausnahme des Sportunterrichtes, wo er aufgrund seines Alters einfach nicht mithalten konnte.

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Die Geschichte von dem ältesten Schüler der Welt verbreitete sich in Windeseile und die Medien fingen an, über Kimani Maruge zu berichten. Im Jahr 2005 wurde er von den Vereinten Nationen eingeladen, um bei der Vollversammlung in New York (USA) zu sprechen. Nachdem er seine erste Reise in einem Flugzeug unbeschadet überstanden hatte, hielt er einen vielbeachteten Vortrag über die Bedeutung eines unentgeltlichen Grundschulunterrichtes. Kimani Maruge wurde in seinem Heimatland zum berühmten Botschafter für freie Bildung, jedoch brachen in seinem Land bald politische Unruhen aus und es kam zu Gewalttätigkeiten.
Kimani Maruge wurde aus seinem Haus vertrieben und er musste in ein Flüchtlingslager fliehen. Jedoch wollte er sich sein schwer erkämpftes Recht auf Bildung nicht nehmen lassen und marschierte jeden Tag vier Kilometer, um weiterhin am Schulunterricht teilnehmen zu können. Als die Lage jedoch zu gefährlich wurde, übersiedelte Kimani Maruge in ein Altenheim nach Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. Dort angekommen meldete er sich sofort wieder in einer nahegelegenen Grundschule an, seinen langersehnten Schulabschluss schaffte er jedoch nicht mehr.
Kimani Maruge starb am 14. August 2009 an den Folgen eines Magenkrebses. Ungeachtet seiner Krebsdiagnose besuchte er noch jeden Tag die Schule, solange wie es sein gesundheitlicher Zustand noch zuließ. Obwohl er nicht seinen Schulabschluss schaffte, wurde der Name Kimani Maruge weit über die Grenzen Kenias hinaus bekannt, sogar ein Film wurde über ihn gedreht. Seine Leidenschaft für Bildung war so außergewöhnlich, dass er vielen Menschen die Bedeutung eines lebenslangen Lernens vermitteln konnte, trotz eines hohen Alters. Mit dieser Einstellung motivierte er nicht nur die Kinder für die Schule, sondern er brachte auch vielen Erwachsenen den Mut zurück, ihren Horizont zu erweitern.
Kimani Maruge: „Für mich ist Bildung der Schlüssel zur Freiheit“